Die Cousine ist gegen eine Expansion. Der Onkel lässt sich scheiden, seine Frau will aber weiterhin im Unternehmen arbeiten. Die zweite Eigentümerfamilie pocht auf eine höhere Gewinnausschüttung. Auslöser für Konflikte innerhalb von Unternehmerfamilien gibt es viele. Ein Familienkodex hilft, die Mitglieder zu einen und das Unternehmen zu sichern.
Die Familie ist eine der wichtigsten Ressourcen von Familienunternehmen. Sie kann sich aber auch zur größten Hypothek entwickeln. Nämlich dann, wenn sich Konflikte aufstauen und individuelle Interessen über die des Unternehmens gestellt werden. „Wenn Familienunternehmen scheitern, dann häufiger aufgrund von unzureichendem Familienmanagement als aufgrund von unzureichender Führung des Betriebs“, weiß Prof. Hermann Frank, Vorstand des Forschungsinstituts für Familienunternehmen und stellvertretender Vorstand am Institut für KMU-Management der WU Wien.
Am Scheideweg
Wobei nicht jeder Konflikt per se schlecht ist. Wird um gute sachliche Entscheidungen gerungen, kann das durchaus den Erfolg einer Firma fördern. Gift für Familienunternehmen sind hingegen Beziehungskonflikte. Häufig geht es um Liebe, Macht, Geld oder Anerkennung. Themen, die in keiner Soap Opera fehlen dürfen, können sich innerhalb von Familienunternehmen zu echten Wertvernichtern entwickeln. Helfen kann in diesem Fall ein Familienkodex, ein verbindliches Regelwerk für Familienmitglieder und Gesellschafter. Als Leitfaden bei der Erstellung dient der Österreichische Kodex für Familienunternehmen. Das Regelwerk wurde unter der Leitung des Bankhaus Spängler Family Management durch eine Kommission, bestehend aus namhaften Vertreterinnen und Vertretern von Familienunternehmen und der Wissenschaft, im Jahr 2022 erarbeitet.
Spielregeln festlegen
Ein Familienkodex gibt die Spielregeln vor. Er ist als Familienverfassung zu verstehen, als eine Art normatives Übereinkommen der Unternehmerfamilie, das alle für die Familie relevanten Aspekte zusammenfasst. Und an dem sich ihr Handeln orientieren soll. An wen können Unternehmensanteile verkauft werden? Dürfen Familienmitglieder im Unternehmen beschäftigt werden? Wer hat ein Stimmrecht im Aufsichtsrat? Welche Pflichten haben Übergeber und Übernehmer?
„Ein Kodex hilft nicht nur dabei, Konflikte zu verhindern. Vielmehr kann im Fall eines auftretenden Konflikts auf ein Prozedere zurückgegriffen werden, um diesen zu lösen. Und das noch bevor er das Unternehmen belastet“, betont Hermann Frank, der auch Mitglied der Kommission des Österreichischen Kodex für Familienunternehmen ist. Festgehalten sind neben der strategischen Grundausrichtung aber auch Leitbild, Werte und Ziele.
Familienkodex als Selbstverpflichtung
Einen allgemeingültigen Kodex gibt es nicht. So individuell das Unternehmen und dessen Eigentümer, so individuell ist auch der Kodex. „Der Prozess der Entwicklung ist dabei mindestens genauso wichtig wie das Produkt selbst“, betont Frank. Denn ein gemeinsam erzieltes Ergebnis verbindet nicht nur, sondern erhöht auch die Akzeptanz. Es sichert die Selbstverpflichtung und die moralische Bindung aller beteiligten Familienmitglieder an das Regelwerk. Damit gewährleistet es dessen Nutzen. Es empfiehlt sich, externe Experten wie das Family Management des Bankhaus Spängler beratend hinzuzuziehen. Sie bringen ihr Wissen und ihre Erfahrungen ein, moderieren und helfen beim Ausformulieren. Als Unbeteiligte sind sie neutral. Dadurch lässt sich der Verdacht aus dem Weg räumen, dass Interessen einzelner Familienmitglieder dominieren, und es kann ein Ergebnis erzielt werden, auf das alle Beteiligten vertrauen.
Eine Frage der Komplexität
Ein Kodex ist nicht nur für Unternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern empfehlenswert. Auch das Vermögensvolumen ist kein zwingendes Kriterium. Ein Familienkodex empfiehlt sich auch für kleinere Unternehmen, und zwar dann, wenn mehrere Familienmitglieder, mehrere Generationen oder mehrere Familienstämme involviert sind. Das steigert die Komplexität und damit auch den Regelungsbedarf. „Insofern lässt sich das Thema ab der zweiten, spätestens dritten Generation als hochrelevant einstufen“, ergänzt der Vorstand des Forschungsinstituts für Familienunternehmen. Frank sieht allerdings hier noch Nachholbedarf. In der Praxis zeige sich, dass der Nutzen eines schriftlichen Kodex von vielen angezweifelt werde. Zu bürokratisch und zu kostspielig sei er. Oft werde erst dann, wenn sich die Unternehmerfamilie mit der Nachfolgeregelung beschäftigt, die Notwendigkeit eines verbindlichen Regelwerks erkannt. Kriselt es innerhalb der Eigentümer zu diesem Zeitpunkt bereits, bringt es meist nichts (mehr), einen Kodex auszuarbeiten. Zuerst müssen die Konflikte aus dem Weg geräumt werden.
Kraftquelle statt Störfaktor
Nichts bleibt, wie es ist. Weder die Familie, noch das Unternehmen, noch dessen Umfeld. Daher ist es notwendig, den Familienkodex regelmäßig zu überarbeiten und den Entwicklungen anzupassen. Einmal im Jahr kommen die Beteiligten an einen Tisch, um das Leitbild der Unternehmerfamilie gemeinsam weiterzuentwickeln. Und ja, ein Kodex bedeutet Arbeit, aber eine, von der alle langfristig profitieren. Denn ist die Familie geeint und stark und ziehen alle Mitglieder an einem Strang, verleiht das dem Unternehmen Kraft und sichert den langfristigen Bestand.

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