Neben der Schweiz, über die wir zuletzt berichtet haben, ist Indien ins Visier von US-Präsident Trump geraten. Trump hat die US-Zölle auf Importe aus Indien auf 50 % verdoppelt, da Indien nach wie vor viel Öl aus Russland einführt und so den russischen Krieg in der Ukraine mitfinanziert. Indien benötigt viel Öl, um den Bedarf seiner stark wachsenden Wirtschaft zu decken. Die reformorientierte Regierung in Neu-Delhi trägt gemeinsam mit der Zentralbank zu einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung bei. Allerdings gibt es auch Schwachpunkte, die eine noch bessere Wirtschaftsentwicklung bislang verhindern.
Wachsende und junge Bevölkerung
In Indien, dem flächenmäßig siebtgrößten Land der Erde, leben rund 1,45 Mrd. Menschen – so viele wie in keinem anderen Land. Indiens Bevölkerung macht dabei knapp 18 % der weltweiten Bevölkerung aus, was bedeutet, dass rein statistisch jeder sechste Mensch in Indien lebt. Die indische Bevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsen und wird laut Prognosen bis Mitte der 2060er Jahre weiter steigen. Das Durchschnittsalter der indischen Bevölkerung liegt bei unter 30 Jahren, während es in Österreich deutlich über 40 Jahre sind. Die Lebenserwartung ist in Indien dagegen geringer als hierzulande. Indien hat mehr als 40 Millionenstädte – Tendenz steigend –, darunter Mumbai, Delhi und Kalkutta. In Indien werden mehr als 100 Sprachen gesprochen, wobei Hindi und Englisch die beiden überregionalen Amtssprachen darstellen.
Stark wachsende Wirtschaft
Wirtschaftlich gilt Indien als Schwellenland. Es gehört zur Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) und zu den sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika). Trotz des niedrigen Pro-Kopf-Einkommens, teilweise großer Armut, hoher Arbeitslosigkeit und ausgeprägter Einkommensungleichheit ist Indien wegen seiner großen Bevölkerung die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass das Land bis 2030 Japan und Deutschland überholen wird. Indiens Wirtschaft wächst seit vielen Jahren stark und überdurchschnittlich – sowohl im Vergleich zur Weltwirtschaft als auch gegenüber anderen asiatischen Schwellenländern. Seit einigen Jahren steigt das indische BIP auch schneller als das chinesische.
Indien hat sich zu einem Zentrum für Informationstechnologie und -dienstleistungen entwickelt und verfügt über eine der weltweit bedeutendsten Softwareindustrien. Daneben zählt die Textilindustrie zu den größten und wichtigsten Wirtschaftszweigen des Landes. Die indische Pharmaindustrie gehört zu den größten und fortgeschrittensten unter den Entwicklungsländern, unter anderem mit einem starken Wachstum der Biotechnologie. Einen gewichtigen Anteil an der Gesamtwirtschaft haben daneben die Eisen- und Stahlerzeugung, der Maschinen- und Kraftfahrzeugbau sowie die chemische Industrie. Von großer Bedeutung ist weiterhin die Landwirtschaft. Die indische Wirtschaft ist sehr stark binnenwirtschaftlich orientiert.
Reformen begünstigen wirtschaftliche Entwicklungen
Begünstigt wird die wirtschaftliche Entwicklung durch die weiterhin stark wachsende Bevölkerung sowie durch einige in den vergangenen Jahren durchgeführte Reformen.
- Steuern: 2017 wurde ein neues landesweites Umsatzsteuersystem eingeführt, das zahlreiche indirekte Steuern auf Bundes- und Landesebene ersetzt hat. Dies hat das Steuersystem für Unternehmen vereinfacht und den Handel zwischen den einzelnen Bundesstaaten erleichtert.
- Insolvenzen: Mit der Einführung eines Insolvenzgesetzbuches im Jahr 2016 wurde das Insolvenzrecht vereinfacht. Unter anderem muss seitdem ein Insolvenzverfahren innerhalb einer bestimmten Frist abgeschlossen werden. Zudem wird die Maximierung des Wertes der Vermögenswerte insolventer Unternehmen und ein fairer Ausgleich für alle Beteiligten (Gläubiger und Schuldner) angestrebt. Dies hat zu einer größeren Disziplin unter den Kreditnehmer:innen und zu einem besseren Risikomanagement bei den Banken geführt.
- Ausländische Direktinvestitionen: In einer Reihe von Sektoren wurden die Begrenzungen gelockert und die Regierung lässt mittlerweile eine 100 %-ige ausländische Beteiligung zu.
- Mehr heimische Produktion: 2020 wurde ein Programm eingeführt, das die heimische Produktion ankurbeln, die Importabhängigkeit verringern, die Exporte steigern und mehr Arbeitsplätze in verschiedenen Sektoren schaffen soll.
- Arbeitsmarkt: Auf Bundesebene wurde 2019 und 2020 ein neues Arbeitsrecht verabschiedet, wodurch jahrzehntealte Arbeitsgesetze vereinfacht und modernisiert wurden. Die neuen Regelungen sollen unter anderem die Schwarzarbeit verringern und die Bürokratie abbauen. Zudem umfassen sie zusätzliche Rechte für Arbeitnehmer:innen und eine Lockerung des Kündigungsschutzes für kleinere Firmen. Die Regelungen sollen ab Frühjahr 2026 in den einzelnen Bundesstaaten in Kraft treten.
Die indische Zentralbank unterstützt
Unterstützt wird die Wirtschaft auch durch die indische Zentralbank (Reserve Bank of India – RBI), die eine stabilitätsorientierte Geldpolitik verfolgt. Der RBI ist es gelungen, die Inflation, welche im Jahr 2013 noch zweistellig war, im letzten Jahr auf durchschnittlich 5 % zu drücken. Heuer lag sie im Durchschnitt sogar nur noch bei 3 %. Die indischen Landwirte haben wegen des guten Monsuns eine Rekordernte eingefahren, was die für die Gesamtinflation wichtigen Lebensmittelpreise niedrig gehalten hat. Die RBI verfolgt ein Inflationsziel mit einer Bandbreite von 2 bis 6 % und einem Mittelwert von 4 %. Das heißt, die Inflation ist eigentlich schon fast zu niedrig. Sie gibt der Zentralbank aber Spielraum, die Zinsen bei Bedarf weiter zu senken, um das Wirtschaftswachstum zu stützen. Die RBI hat die Leitzinsen heuer bislang um 100 Basispunkte auf aktuell 5,5 % gesenkt. Dadurch haben sich die Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen verbessert.
Die indische Währung, die Indische Rupie (INR), hat heuer gegenüber dem US-Dollar und noch deutlich stärker gegenüber dem Euro abgewertet. Sie war Anfang September gegenüber den beiden genannten Währungen so schwach wie nie zuvor. Hinter der Abwertung stecken vor allem die US-Zölle, die unter Investor:innen für Unsicherheit und Kapitalabflüsse sorgen. Die Schwächetendenzen der Indischen Rupie gibt es aber nicht erst seit diesem Jahr, sondern sind schon viel länger zu beobachten. Die Marktteilnehmer:innen gehen davon aus, dass sich die indische Währung zwar in etwa auf ihrem aktuellen Niveau stabilisieren wird. Die schwache Währung hat die positive Performance des indischen Aktienmarktes aus Sicht von Euro-Investierenden heuer aber zunichtegemacht und in den vergangenen Jahren geschmälert.
Einige Schwachpunkte
Trotz des starken Wachstums und der Reformen weist Indiens Wirtschaft noch viele strukturelle Schwächen auf. So greift der Staat noch oft in die Wirtschaft ein und bremst so den Strukturwandel. Beispielsweise wird die Landwirtschaft nach wie vor stark subventioniert, womit in diesem Bereich die ineffizienten Strukturen fortbestehen. Die politischen Entscheidungsprozesse sind langwierig. Zudem wird die heimische Wirtschaft immer noch in beträchtlichem Umfang abgeschirmt. Die Regelungen für ausländische Direktinvestitionen sind trotz der oben beschriebenen Lockerungen noch vergleichsweise restriktiv. Ebenso erhebt Indien selbst zum Schutz seiner (ineffizienten Staats-)Unternehmen relativ hohe Zölle und es gibt zahlreiche nicht-tarifäre Handelsbeschränkungen. Darüber hinaus ist die Infrastruktur teilweise in einem schlechten Zustand. So ist zum Beispiel das Eisenbahnnetz veraltet, überlastet und nicht ausreichend mit Strom versorgt. Die Energieinfrastruktur stellt generell ein Problem dar, im Zuge dessen es zu häufigen Stromausfällen kommt. Auch die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie das öffentliche Gesundheitswesen und das Bildungswesen entsprechen nicht heutigen Standards. Ein Belastungsfaktor ist auch die immer noch weit verbreitete Korruption.
Im Visier von Trump
Seit Ende August gelten für viele indische Produkte Einfuhrzölle von 50 % in die USA. Sie wurden vom ursprünglichen Niveau aus verdoppelt, da Indien weiter verstärkt Öl aus Russland importiert. Somit gehören sie zu den höchsten der von Trump verhängten Zölle gegen US-Handelspartner. Nach China ist Indien der größte Ölkunde Russlands, wobei dies weniger eine politische als eine pragmatische Entscheidung der indischen Regierung darstellt. Denn da Indiens Wirtschaft stark wächst, ist der Bedarf an (günstigem) Rohöl groß. Bislang hat Indien den Forderungen Trumps nicht nachgegeben. Im Gegenteil, Premierminister Modi hat die Inder wiederholt dazu aufgefordert, lokal hergestellte Waren zu kaufen, um die Auswirkungen der Zölle abzufedern. Zudem scheint sich Indien wieder China anzunähern, was beide Regierungschefs beim Treffen der Schwellenländer im chinesischen Tianjin Ende August verlautbaren ließen. Aus China bezieht Indien die mit Abstand meisten Importe, während die USA für Indien der größte Exportmarkt sind. Die Verhandlungen über niedrigere Zölle zwischen Indien und den USA sollen fortgeführt werden.
Auf den Punkt gebracht
Dank der zunehmenden Bevölkerung und verschiedener Reformen in den vergangenen Jahren wächst die indische Wirtschaft stark. Allerdings weist Indien auch weiterhin beträchtliche strukturelle Schwächen auf, so dass die Wachstumsraten in den kommenden Jahren etwas geringer ausfallen dürften. Die niedrige Inflation gibt der RBI Spielraum, die Zinsen weiter zu senken, um das Wachstum zu stützen. Wie andere Länder und Regionen beobachten wir auch Indien laufend, haben das Land aber noch nicht in unsere Allokation aufgenommen.
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Marketingmitteilung
Stand 16.09.2025
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