Die Inflation ist seit geraumer Zeit eines der marktbeherrschenden Themen – und dürfte es noch lange Zeit bleiben. Lag die Teuerungsrate im Euroraum jahrelang zumeist unter dem Ziel der EZB von 2 %, ist sie seit Anfang 2021 in die Höhe geschossen. Im Oktober dieses Jahres wurde mit 10,6 % ein Rekordwert seit Bestehen der Europäischen Währungsunion erreicht. Die sog. Kernrate, die die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise nicht berücksichtigt, ist auf 5 % geklettert.
Corona-Pandemie und andere Preistreiber
Ein Grund für das Anziehen der Preise ist die Corona-Pandemie und die zu ihrer Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen. Im Frühjahr 2020 wurde das Angebot vieler Dienstleistungen aufgrund von Lockdowns eingeschränkt. Die Verbraucher verlagerten daher einen Teil ihres Konsums auf Waren, was bei diesen zu einem massiven Anstieg der Nachfrage führte. Da das Angebot nicht schnell genug mitkam, explodierten die Preise förmlich. Aus Daten von Eurostat geht hervor, dass die Wohnkosten seit vielen Monaten der größte Inflationstreiber sind. Denn durch die jahrelange Nullzinspolitik der EZB hat sich der Immobilienmarkt massiv eingeengt. Mit dem Beginn des Russland-Ukraine-Krieges kam Energie als weiterer Inflationstreiber hinzu. Insbesondere bei den Gas- und Strompreisen machen sich die Auswirkungen des Krieges bemerkbar. Ferner muss man für Lebensmittel deutlich tiefer in die Tasche greifen als zu Jahresbeginn. Einer Umfrage des Münchner ifo-Instituts zufolge wollen auch fast alle Lebensmittelproduzenten ihre Preise weiter erhöhen. Darüber hinaus ist die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale hoch, da viele Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen deutlich höhere Löhne fordern und höhere Abschlüsse erzielen (wie zuletzt die Metaller, die durchschnittlich 7,4 % mehr Gehalt bekommen).
Inflation wahrscheinlich noch nicht am Hochpunkt angelangt
Vieles deutet darauf hin, dass sich die Inflation weiter hartnäckig zeigt und im Euroraum noch nicht ihren Hochpunkt erreicht hat. Dieser Ansicht ist zum Beispiel auch der französische Notenbank-Gouverneur, François Villeroy de Galhau, der im EZB-Rat sitzt. Seiner Meinung nach wird die Inflation ihren Hochpunkt voraussichtlich im ersten Halbjahr 2023 erreichen. Und bis sie wieder auf den Zielwert der EZB gefallen ist, könnte es sogar drei Jahre dauern. Denn bis die Zinsanhebungen der EZB ihre Wirkung entfalten, vergehen für gewöhnlich mehrere Quartale. Zudem geht die EZB aus Rücksicht auf die hochverschuldeten Länder der Eurozone im Gegensatz zur US-Notenbank Fed eher zögerlich gegen die Inflation vor. Ferner dürften die Unternehmen die Erzeugerpreise, die nach wie vor nahezu ungebremst zweistellig steigen, noch immer nicht vollständig an ihre Kunden weitergegeben haben.
Inflationserwartungen der Bürger merklich gestiegen
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Grund für die hohen Teuerungsraten sind die Inflationserwartungen der Bürger. Laut einer Umfrage der EZB sehen die Bürger im Euroraum die Inflation auch in drei Jahren merklich über dem 2 %-Ziel der Währungshüter, nämlich bei 3 %. Die langfristigen Inflationserwartungen haben sich also aus der Verankerung gelöst. Die gestiegenen Erwartungen drohen über zwei Kanäle zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung zu werden: Zum einen führen die bereits erwähnten höheren Lohnsteigerungen in der Regel zu einem weiteren Anstieg der Inflation oder zu einer Verlängerung der Inflationsphase. Zum anderen ist es für Unternehmen einfacher, die Preise zu erhöhen, wenn die Verbraucher ohnehin mit mehr Inflation rechnen. Die Verbraucher haben in diesem Fall also mehr Verständnis für Preiserhöhungen. Die EZB versucht eigenen Angaben zufolge, die Inflationserwartungen einzufangen und wieder beim 2 %-Ziel zu verankern. Sie hat schon vor längerem betont, dass öffentliches Vertrauen (in die Fähigkeit der EZB) der Grundstein für die Wahrung der Preisstabilität ist.
Licht am Ende des Tunnels
Dennoch gibt es nicht zuletzt wegen der restriktiveren Geldpolitik der Notenbanken Anzeichen, dass die Inflation global betrachtet auf ihren Hochpunkt zusteuert. Laut der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) könnte dieser unmittelbar bevorstehen. Jedoch erachtet auch sie es als herausfordernd, die Inflation auf das angestrebte Niveau von rund 2 % zurückzubringen. In den USA gibt es bereits Anzeichen, dass der Inflationsdruck nachlässt: Die Teuerungsrate ist von ihrem Hoch im Juni (9,1 %) bis Oktober immerhin leicht auf 7,7 % gefallen. Die Kernrate liegt mit 6,3 % allerdings noch nahe ihres kürzlich verzeichneten 40-Jahreshochs.
Damit in Europa der Preisauftrieb nachlässt, müssten die o.g. Komponenten an Dynamik verlieren. Und tatsächlich gibt es bei den Transport- und Energiekosten Entspannungssignale: So hat zum einen der Druck auf die globalen Lieferketten nachgelassen – die Lieferzeiten sind nicht mehr so lange wie noch vor einigen Monaten – und die Frachtraten sind stark gesunken. Zum anderen ist der europäische Gaspreis stark gefallen. Viele Regierungen versuchen gerade im Energiebereich mit zahlreichen Maßnahmen wie zum Beispiel der Strom- und Gaspreisbremse die Verbraucher zu entlasten. Durch den Anstieg der Zinsen haben sich daneben die Finanzierungskosten von Wohneigentum erhöht, was die Nachfrage nach Immobilien bremst, da sie das Budget potenzieller Käufer belasten und die Immobilienpreise stagnieren.
Auf den Punkt gebracht
Das Inflationsproblem dürfte ganz oben auf der Agenda der Menschen bleiben, selbst wenn die Inflation im Euroraum im kommenden Jahr fällt. Wie schnell die Inflation schlussendlich zurückkommt, dürfte nicht zuletzt maßgeblich vom weiteren Verhalten der Notenbanken abhängen. Sie müssen ihren Worten, dass sie alles tun, was erforderlich ist, um die Inflation auf 2 % zu drücken, weitere Taten folgen lassen. Denn dies ist notwendig, um die Inflationserwartungen wieder einzufangen. Allerdings wird gerade der EZB-Rat von Anhängern einer grundsätzlich lockeren Geldpolitik dominiert, was den Prozess verzögern könnte. Behalten die Notenbanken ihren Kurs bei und erhöhen weiter die Zinsen (wenn auch in geringerem Tempo), wird sich dies aller Voraussicht nach negativ auf die Konjunktur auswirken. Ökonomen rechnen damit, dass die Wirtschaft im Euroraum in eine Rezession abrutscht. Auch in den USA dürfte es schwierig werden, einen Rückgang des BIP-Wachstums zu vermeiden. Eine schrumpfende Wirtschaft sollte theoretisch mit fallenden Inflationsraten einhergehen, da sich die Konsumenten in diesen Zeiten mit Käufen zurückhalten. Die Kaufkraft der Konsumenten wird durch die Inflation selbst ohnehin geschwächt.
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Marketingmitteilung
Stand 17.11.2022
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