Börsenweisheiten gibt es viele. Die „kurzen Beine“ von politischen Börsen ist mit Sicherheit eine der Bekanntesten. Übersetzt heißt das so viel wie: Politische Ereignisse beeinflussen die Kapitalmärkte nur kurzfristig, langfristig zählen harte Fakten wie Unternehmenszahlen oder die Wirtschaftsentwicklung. Stimmt das auch 2022? Wir schaffen einen ersten Überblick.

Russisches Säbelrasseln

Der Wettstreit zwischen Demokratie und Autokratie, der sich seit mehreren Jahren wieder verschärft, dürfte weiter zunehmen. Die Hoffnung aus den 90er Jahren, dass Länder wie China bei Erreichen eines gewissen Wohlstandes sich aus eigenem Antrieb zunehmend der Demokratie zuwenden würden, hat sich dabei als Illusion erwiesen. Die Konflikte zwischen dem Westen und seinen Verbündeten auf der einen Seite und China, Russland und ihre befreundeten Staaten auf der anderen Seite, nehmen damit wieder zu. 

Das Spannungsfeld, das diesbezüglich derzeit die meiste internationale Beachtung findet, ist jenes an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine. Gestern (21. Februar 2022) hat Russlands Präsident Putin bekanntgegeben, die Gebiete Donezk und Luhansk im ostukrainischen Donbass als unabhängige Staaten anzuerkennen.

Der russische Präsident hat die Entsendung von Truppen in die Ostukraine angeordnet, wobei die von Russland unterstützten Separatisten bislang nicht das gesamte Gebiet von Donezk und Luhansk kontrollieren. Ebenso hat Wladimir Putin in einer Rede den historischen Anspruch Russlands auf die Ukraine klargemacht. Dass der russische Präsident mit der Anerkennung von Donezk und Luhansk seine Ziele in der Ukraine bereits erreicht hat, ist daher unwahrscheinlich. 

Das weitere Vorgehen Russlands in der Ukraine ist bezüglich Umfang (die Szenarien reichen von der Kontrolle von Donezk und Luhansk bis hin zur Annexion der Ukraine) und auf der Zeitachse (baldiger Einmarsch in der Ukraine oder anhaltende Zermürbungstaktik, u.a. mittels Cyberangriffen und indirekter politischer Einflussnahme) unklar. 

Für sich genommen, würde eine Invasion in die Ukraine – das Land gehört weder der EU noch der NATO an – die Weltwirtschaft kaum tangieren. Russland ist mit einem Anteil von weniger als 2 % an der Weltwirtschaft vergleichsweise unbedeutend. Jedoch ist Russland ein wichtiger globaler Lieferant von Rohstoffen, insbesondere von Erdgas, Erdöl, Aluminium, Platinmetallen, Weizen und Mais. 
Allein Deutschland bezieht etwa mehr als die Hälfte seines benötigten Erdgases aus Russland.

Das größte Risiko für die Weltwirtschaft wären allerdings Wirtschaftssanktionen, vor allem auf das russische Finanzsystem. US-Sanktionen können sich aber auch gegen Einzelpersonen richten – ein Instrument, das in den letzten Jahren mit durchwachsenen Ergebnissen und bisweilen unbeabsichtigten globalen Kollateralschäden angewandt wurde.

Es besteht somit nach wie vor große Unsicherheit mit welchen Sanktionen die EU und die USA auf den aktuellen Einmarsch der russischen Truppen in Donbass reagieren werden. Umfassende Wirtschaftssanktionen, vor allem jene auf das russische Finanzsystem, könnten zumindest kurzfristig erhebliche negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und somit den Kapitalmärkten haben. 

Angesichts des Risikos von Kollateralschäden, von denen auch die USA stark betroffen wären (wie zum Beispiel noch höhere Ölpreise), ist hier wohl trotz des Säbelrasselns eine maßvolle Reaktion der US-Regierung zu erwarten.

Wo wird gewählt?

Das wichtigste Wahlereignis im Jahr 2022 sind mit Sicherheit die im November stattfindenden US-Zwischenwahlen, die sogenannten „midterm-elections“.

Gewählt werden 

  • alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus
  • 34 der 100 Senatoren im Senat
  • die Gouverneure in 36 Staaten & 3 Territorien

Allgemein zeigt sich, dass die Unterstützung für den Präsidenten Joe Biden in den letzten Monaten abgenommen hat. Die aktuellen Umfragewerte deuten darauf hin, dass die Demokraten unter der Führung von Biden die Mehrheit sowohl im Repräsentantenhaus als auch möglicherweise im Senat verlieren könnten. 

Neben den aktuell schlechten Umfragewerten spricht vor allem die Statistik eine deutliche Sprache:

  • In den letzten 90 Jahren hat die Partei des amtierenden Präsidenten während Zwischenwahlen durchschnittlich 28 Sitze im Repräsentantenhaus und vier im Senat verloren.
  • Bei 86 % der bisherigen Wahlen verlor die Partei des Präsidenten Sitze im Repräsentantenhaus und im Senat. 

Zusätzlich werden nach der jüngsten Volkszählung die Kongressbezirke neu aufgeteilt. Die Ergebnisse der Volkszählung in den Vereinigten Staaten zeigen: Das Bevölkerungswachstum in Kalifornien, New York und im Mittleren Westen ist gebremst, während der Süden stark wächst. Das Resultat der jüngsten Zählung verschiebt sieben Sitze: Texas erhält künftig zwei zusätzliche Mandate; Florida, Colorado, Montana, North Carolina und Oregon gewinnen jeweils einen weiteren Sitz hinzu. Hingegen werden Kalifornien, Illinois, Michigan, New York, Ohio und Pennsylvania je einen Sitz verlieren. Das freut die Republikaner, sind sie doch in den hinzugewinnenden Bundesstaaten traditionell stark.

Eine wichtige Rolle bei der Wahlentscheidung werden auch die aktuell explodierenden Inflationszahlen spielen. Diese wirken sich in stärkerem Ausmaß auf niedrigere Einkommensschichten aus, und diese Gruppen wählen immer noch überwiegend Demokraten. Diese Unzufriedenheit könnte zu einer Wechselbereitschaft in das Lager der Republikaner („Grand Old Party“) führen. 

Erste Tendenzen zu dieser Verschiebung sind bereits sichtbar: Die Demokraten werden immer mehr zur Partei des gehobenen Mittelstands, während die Republikaner vor allem Stimmen von jenen Wählern bekommen, die sich zunehmend ausgegrenzt fühlen. 

Es ist also keine einfache Situation für Joe Biden. Sollten die Wahlen gegen ihn laufen und die Demokraten die Mehrheiten in Kongress und Repräsentantenhaus verlieren, steht er vor einer schwierigen zweiten Hälfte seiner Amtszeit.

Die Vereinigten Staaten sind in diesem Jahr aber nicht die einzige große Volkswirtschaft vor wichtigen politischen Entscheidungen.

Neue Zeitrechnung in China

In China findet im November der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei statt. Dieser wird besonders wichtig: Erstmals seit Jahrzehnten findet nach zweimal fünf Jahren Amtszeit kein Wechsel an der Staatsspitze statt. Staatschef Xi Jinping wird erneut antreten. Die bisherige Limitierung seiner Amtszeit auf insgesamt zehn Jahre hat er aus der chinesischen Verfassung streichen lassen. Xi Jinping wird seine Rolle als Staats- und Parteichef auch nach dem Parteitag fortsetzen können. 

Welche Wahl haben die Menschen in Hongkong noch?

Auch in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong wird im März ein neues Regierungsoberhaupt gewählt. Im Ausland wächst die Sorge über schwindende Rechte und Freiheiten in der Stadt, seit Peking als Reaktion auf die Massenproteste 2019 ein weitreichendes Gesetz zur nationalen Sicherheit erlassen hat. 

Seit der Neuregelung werden nur noch 20 der 90 Sitze im Parlament direkt gewählt. 40 Sitze in der Legislative werden von einem Komitee gewählt, das aus Peking-treuen Repräsentanten besteht. Die restlichen 30 Sitze werden von Ausschüssen gewählt, die Interessen- und Industriegruppen vertreten. Auch diese gelten als China-freundlich. Zudem wurden vor der Abstimmung alle Kandidaten auf ihren „Patriotismus“ und ihre politische Loyalität gegenüber China überprüft.

Wie wählt Frankreich?

Frankreich hat zwar keine Staatsform wie China, die französische Präsidentschaft hat aber dennoch die meisten Befugnisse von fast allen Präsidentschaften und Ministerpräsidentschaften in der westlichen Welt. Noch in diesem Frühjahr steht dieses mächtige Amt im Élysée-Palast zur Wahl. Jüngsten Umfragen zufolge sind nur 44 % der französischen Bevölkerung mit dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron zufrieden, ein für französische Verhältnisse jedoch passabler Wert. Zudem führt Macron nach wie vor in allen Umfragen für die erste Runde der Präsidentschaftswahl. 

Sollten im Fall einer Stichwahl die Wählenden die Entscheidung zwischen Macron oder seiner derzeitigen Hauptgegnerin Marine Le Pen haben, dürfte der amtierende Präsident die besseren Karten haben. Auch wenn derzeit anderen Gegnern große Aufmerksamkeit geschenkt wird – etwa Valérie Pécresse von Les Republicains, der Partei des ehemaligen Präsidenten Sarkozy, und Éric Zemmour, der oft als rechtsextrem gebrandmarkt wird – stehen die Chancen Macrons für eine zweite Amtszeit laut ECR Research bei rund 60 – 70 %.

In Europa stehen heuer noch weitere wichtige Wahlen an. Zum Beispiel jene in Ungarn, die angesichts der seit Jahren andauernden Spannungen zwischen dem ungarischen Staatschef Orban und der EU durchaus Signalwirkung auf andere Mitgliedsländer haben könnten. 

Auch die im Mai stattfindenden Wahlen in Nordirland stehen mehr als gewöhnlich im Mittelpunkt des Interesses, sind doch die Brexit-Nachwirkungen noch nicht vorbei. Ob sie einer Streitbeilegung betreffend des Nordirland-Protokoll zwischen London und Brüssel dienlich sein werden, erscheint dabei zumindest fraglich.

Auf den Punkt gebracht

Die anstehenden politischen Ereignisse rund um den Globus könnten kurzfristig für höhere Wertschwankungen sorgen, haben allerdings aus heutiger Sicht nicht das Potenzial, die Kapitalmärkte nachhaltig zu beeinflussen. Anhaltende Reibungen zwischen Demokratien und Autokratien sind mittelfristig weiterhin eine wichtige Entwicklung, welche es zu beobachten gilt. Allerdings sind auf Grund der verschiedensten Eskalationsstufen keine Prognosen möglich.

Wichtige Hinweise

Die hier dargestellten Angaben dienen, trotz sorgfältiger Recherche, ausschließlich der unverbindlichen Information und ersetzen nicht eine, insbesondere nach rechtlichen, steuerlichen und produktspezifischen Gesichtspunkten notwendige, individuelle Beratung für die darin beschriebenen Finanzinstrumente. Die Information stellt weder ein Anbot, noch eine Einladung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar und dient insbesondere nicht als Ersatz für eine umfassende Risikoaufklärung.

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Marketingmitteilung
Stand 21.02.2022

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