Alle Jahre wieder – könnte man sagen. In den USA droht der Regierung das Geld auszugehen. Und zwar schneller als erwartet. Die eigentlich unumgängliche Anhebung der Schuldengrenze gestaltet sich dieses Mal zäher als sonst, da sich die Regierung und die Opposition bislang nicht angenähert haben. Eine Zahlungsunfähigkeit der USA hätte gravierende Folgen für die Kapitalmärkte. Politikbeobachter sind sich aber einig, dass ein Zahlungsausfall in letzter Minute verhindert wird.

Der Regierung geht das Geld aus

Die Schulden der US-Bundesregierung sind im Jänner an die gesetzliche Obergrenze von 31,4 Bio. USD (123 % des BIP von 2022) gestoßen. Seitdem darf das Finanzministerium unter Leitung von Finanzministerin Janet Yellen keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Da im Durchschnitt in den USA nur etwa 80 % der Staatsausgaben durch Einnahmen gedeckt sind, droht dem Staat die Zahlungsunfähigkeit, sofern die Schuldengrenze nicht erhöht wird. Seit 1960 wurde sie 78 mal angehoben, um eine Pleite zu verhindern. In den letzten Jahren waren die Schuldenniveaus politische Schlachtfelder, die einige Male zu einer temporären Aussetzung der Schuldengrenze geführt haben (7 mal seit 2013). Bis zu einer Erhöhung der Schuldengrenze muss der Staat mit den vorhandenen Mitteln auskommen. Das Konto, das das Finanzministerium bei der US-Notenbank Fed unterhält, zeigte Ende April noch ein Guthaben von 316 Mrd. USD, deutlich weniger als zum vergleichbaren Vorjahreszeitpunkt. Dass das Konto nicht besser gefüllt ist, liegt an den Steuereinnahmen, die im April hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Im Mai hat die US-Regierung in den letzten Jahren im Durchschnitt über 400 Mrd. USD ausgegeben und dabei ein Defizit von über 100 Mrd. USD verbucht. Finanzministerin Yellen hatte daher Anfang Mai den US-Kongress in einem Brief informiert, dass der Regierung möglicherweise schon Anfang Juni das Geld ausgehen wird. Bislang wurde davon ausgegangen, dass dieser Zeitpunkt („Tag X“) „erst“ in den Sommermonaten erreicht wäre.

Schulden und Schuldenobergrenze der USA — FactSet, US-Finanzministerium; Stand: 12. Mai 2023

Politische Pokerspiele

Zur Erhöhung der Schuldengrenze benötigt die Regierung die Zustimmung der Opposition. Bislang standen sich die Parteien jedoch unversöhnlich gegenüber und konnten sich noch nicht einigen. Die Demokraten unter Präsident Joe Biden bestehen auf einer Anhebung der Schuldengrenze, die nicht an Bedingungen geknüpft ist. Dies sehen die Republikaner unter dem Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy anders. Sie haben einen Gesetzentwurf präsentiert, der zwar die Erhöhung der Schuldengrenze um 1,5 Bio. USD bis März 2024 enthält, aber Ausgabenkürzungen von rund 4,5 Bio. USD in den nächsten Jahren zur Bedingung macht. Dies ist wiederum für die Demokraten kaum akzeptabel. Die Fronten sind bislang verhärtet, woran auch Gespräche in den letzten Tagen nichts geändert haben. Bei den Parteien spielen dabei wohl auch taktische Überlegungen eine Rolle, da das Wahljahr 2024, in dem unter anderem der Präsident neu gewählt wird, bereits seine Schatten vorauswirft. Die demokratische Regierung spekuliert offenbar darauf, dass die Republikaner nachgeben werden, spätestens wenn es Turbulenzen auf den Kapitalmärkten gibt. Denn in der Vergangenheit kam die Partei unter öffentlichen Druck, die sich einer Anhebung der Schuldengrenze verweigert hat. Die Republikaner haben allerdings jüngst in ihrer Haltung Einigkeit demonstriert und durch den Gesetzentwurf ihre Ausgangsbasis verbessert.

Um sich mehr Zeit zu verschaffen, könnten sich die Parteien auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen und die Schuldengrenze aussetzen, so wie sie es bei früheren Debatten schon getan haben. Ein Ausschuss des Repräsentantenhauses, bestehend aus Abgeordneten beider Parteien, hat sich für eine Aussetzung der Schuldengrenze bis zum Jahresende ausgesprochen. Damit müsste die Schuldendebatte Anfang 2024 wieder geführt werden. Einer Einigung wird dann größere Wahrscheinlichkeit zugesprochen, da Demokraten und Republikaner in einem Wahljahr für gewöhnlich solche tiefgreifenden Kämpfe vermeiden wollen.

Optionen der Regierung


Sollte es zu keiner Einigung kommen – auch nicht in letzter Minute –, hätte die US-Regierung verschiedene Möglichkeiten, um eine Zahlungsunfähigkeit der USA doch noch zu verhindern. Diese sind jedoch alle mit Risiken bzw. Unwägbarkeiten verbunden.

  • Die Regierung könnte den Schuldendienst zu Lasten anderer Verpflichtungen priorisieren. Das heißt zum Beispiel, dass Staatsbedienstete erst später ihr Gehalt bekämen, Renten verzögert überwiesen und Zahlungen an das Gesundheitswesen hinausgezögert würden, etc. Dies würde wohl das Verbraucher- und Unternehmervertrauen verschlechtern und der Wirtschaft schaden.
  • Präsident Biden könnte sich auf den 14. Verfassungszusatz, der die gesetzlichen Schulden garantiert, berufen und die Schuldengrenze dadurch quasi brechen. Das heißt, er würde das Finanzministerium anweisen, die Schuldengrenze zu ignorieren. Dieses Vorgehen würde höchstwahrscheinlich vor dem Obersten Gericht angefochten werden und zu einer mehrwöchigen Phase erhöhter Unsicherheit führen, in der auch die Kapitalmärkte unter Druck kommen könnten.
  • In den Medien wird häufig eine sogenannte „Billionen-Dollar-Münze“ erwähnt. Das Finanzministerium kann Platinmünzen mit einem beliebigen Nennwert prägen (zum Beispiel 1 Bio. USD). Diese könnte es bei der Fed einreichen und den Gegenwert auf seinem Konto bei der Notenbank gutschreiben lassen. Dies würde die Fed aber faktisch zur Staatsfinanzierung zwingen, woran sie keinerlei Interesse haben kann und was Finanzministerin Yellen als ehemaliger Fed-Vorsitzenden sehr bewusst sein wird.
     

Folgen einer möglichen Staatspleite für die Kapitalmärkte


Sollten es Demokraten und Republikaner tatsächlich darauf ankommen lassen und sich nicht einigen, bevor die Regierung kein Geld mehr hat, hätte dies höchstwahrscheinlich gravierende Folgen für die Kapitalmärkte. Sofern die USA nach dem „Tag X“ Zinsen auf Staatsanleihen nicht leisten oder Anleihen bei Fälligkeit nicht zurückzahlen könnten, würde es wohl zu einer heftigen Reaktion an den Märkten kommen. Der Einbruch wäre aber wahrscheinlich nur kurzfristig und schon bald wieder aufgeholt, sollte der US-Kongress wegen des Aufschreis die Schuldengrenze innerhalb eines Tages doch noch anheben.

Anders sähe es aus, wenn die Zahlungsunfähigkeit länger als drei Tage andauern würde. Denn dann würde eine Klausel in den CDS-Kontrakten (CDS = Credit Default Swap = Kreditausfallversicherung) greifen und die USA wären offiziell pleite. Dies würde wohl eine Schockwelle durch die Märkte schicken. Die Fed würde in diesem Fall wahrscheinlich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, die Märkte zu stabilisieren. Die anderen Notenbanken rund um den Globus dürften ihr dabei in einer konzertierten Aktion helfen. Die Ratingagenturen würden die USA (und mit ihr assoziierte Finanzinstitute wie Fannie Mae und Freddie Mac) herabstufen, so dass die USA endgültig ihr AAA-Rating verlieren würden. Die Ratingagentur S&P hat die Kreditwürdigkeit der USA bereits 2011 im Rahmen der damaligen Schuldendebatte auf AA+ gesenkt. Der S&P 500-Aktienindex hatte während des Schuldenstreits vom 16. Mai (Schuldengrenze erreicht) bis 5. August (Rating herabgestuft) 10 % verloren (und ist danach noch etwas weiter gefallen), die Verluste bis zum Jahresende aber teilweise wieder aufgeholt. Eine Eskalation der Schuldenkrise hätte wohl auch Auswirkungen auf die Zinspolitik der Fed, die ihre Zinsen in diesem Fall schneller senken dürfte als ohnehin schon vom Markt erwartet. Auch würde der US-Dollar wahrscheinlich abwerten. 

Performance S&P 500 im Jahr 2011 — FactSet; Stand 12. Mai 2023

Einige Marktbeobachter stellen in diesem Zusammenhang den Dollar als dominierende Weltleitwährung in Frage. Investitionen in Länder bzw. Regionen außerhalb der USA würden attraktiver erscheinen. Und zu guter Letzt dürfte auch der Goldpreis profitieren.

Bei all den skizzierten Szenarien sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Kapitalmärkte bislang sehr gelassen auf die drohende Zahlungsunfähigkeit der USA reagiert haben (sie erachten sie offenbar als nicht sehr wahrscheinlich). Der S&P 500 ist seit Jahresbeginn mit 7,4 % im Plus und US-Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit haben 2,8 % hinzugewonnen (in USD gerechnet). Lediglich die CDS-Spreads sind nach oben geschossen. Der 1-Jahres-Spread liegt auf dem höchsten jemals verzeichneten Niveau. Das heißt vereinfacht ausgedrückt, die Versicherung gegen einen Zahlungsausfall ist deutlich teurer geworden.
 

1-Jahres-CDS Spread USA auf Rekordniveau — FactSet; Stand 12. Mai 2023

Auf den Punkt gebracht

Mit dem schnellen Näherrücken der Schuldengrenze bekommt dieses Thema Brisanz und könnte zu Unruhe an den Kapitalmärkten führen, die sich in den kommenden Wochen verstärken dürfte. Ein Zahlungsausfall der USA hätte unabsehbare Folgen und würde die Märkte wahrscheinlich erschüttern. Dies werden die Parteien trotz aller politischer Differenzen kaum riskieren wollen. Vielmehr dürften sie daran arbeiten, eine für beide Seiten einigermaßen gesichtswahrende Lösung zu finden. Am Ende sollte auch angesichts der Wahlen im nächsten Jahr keiner daran interessiert sein, für die erste Pleite in der US-Geschichte verantwortlich gemacht zu werden. Politikbeobachter sind sich daher einig, dass eine Zahlungsunfähigkeit der USA in letzter Minute verhindert wird.

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Marketingmitteilung
Stand 19.05.2023

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