Blickt man auf die Ölpreise, so entwickelten sich diese seit Jahresbeginn nur in eine Richtung: steil nach oben. Um mehr als 40 % verteuerte sich seither das Barrel Rohöl der Sorte Brent in EUR. Zuletzt fielen die Ölpreise jedoch von ihren Höchstständen zurück, da es Befürchtungen gibt, dass eine weltweit restriktivere Geldpolitik und eine globale Verlangsamung des Wirtschaftswachstums die Öl-Nachfrage dämpfen werden.

Die Frage ist nun, wohin sich die Preise entwickeln werden. Werden eine Fortsetzung der „Post-Covid“-Wiederbelebung die Rohölnachfrage verstärken und Sanktionen gegen Russland sowie andere angebotsseitige Bremsen die Rohölpreise wieder in die Höhe treiben? Oder wird sich das Wirtschaftsklima so sehr eintrüben, dass die Brent- und WTI-Preise stärker unter Druck geraten werden? Sehen wir uns die verschiedenen Szenarien an.

Was spricht für weiter steigende Ölpreise?

Ein exemplarischer Blick in ausgewählte Exportländer zeigt die vielschichten Herausforderungen und Probleme, welche auf der Angebotsseite bestehen.

Amerika
Die US-Energiekonzerne haben die Produktion während der Covid-Pandemie stark gedrosselt und werden diese nur langsam steigern. Einerseits wegen steigender Kosten und fehlender Arbeitnehmer. Anderseits ziehen sie es vor, zusätzliche Dividenden auszuschütten, anstatt ihre Gewinne in die Produktion zu reinvestieren. Auch gibt es Kritik an der Biden-Regierung, dass sie keine neuen Bohrpachtverträge auf öffentlichem Land ausstellt, die Keystone-Pipeline storniert und die Netto-Null-Kohlenstoffemissionen betont hat. Infolgedessen ist die Schieferproduktion in diesem Jahr trotz steigender Ölpreise nur geringfügig gestiegen. 
Die US-Regierung hat weiters einen Plan angekündigt, die strategischen Öl-Reserven (SPR) des Landes aufzufüllen, die derzeit um 1 Million Barrel pro Tag (mb/d) in Anspruch genommen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt verkauft Amerika mehr Barrel aus seinen Reserven, als viele mittelgroße OPEC-Mitglieder produzieren. Wenn das Land bei seinem derzeitigen Tempo bleibt, wird der SPR im Herbst auf ein 40-Jahres-Tief von 358 Million Barrel (mb) schrumpfen. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 enthielt die SPR 621 mb. 

Zudem hat die US-Hurrikan-Saison bereits begonnen und verspricht, eine starke zu werden. Sollten die Stürme die kritischen Energieinfrastrukturen treffen, kann dies zu empfindlichen Produktionsausfällen führen.  

Russland
Die russischen Ölverkäufe nach Asien sind seit Beginn des Ukraine-Kriegs und dem Inkrafttreten der Sanktionen gegen Russland sprunghaft angestiegen. Allerdings wird Russland nicht in der Lage sein, jedes nicht in die EU exportierte Fass nach Asien umzuleiten. Beispielsweise gibt es nur 300.000 Barrel pro Tag (b/d) freie Kapazität auf der sogenannten ESPO-Pipeline nach Asien und 200.000 b/d auf der Schiene. Zum Vergleich: Vor dem Krieg war die EU Russlands wichtigster Markt und importierte 4 mb/d russisches Rohöl und Produkte. Auf jeden Fall erwartet die Internationale Energieagentur (IEA), dass die russische Produktion im Jahr 2022 um etwa 3 mb/d sinken wird. Andere Experten sind etwas weniger pessimistisch, sagen aber immer noch große Produktionsrückgänge voraus.

Naher Osten
Saudi-Arabien baut aktuell seine Produktionskapazität aus. Auch wenn es Riad schaffen würde, seine Produktion zu erhöhen, so sind Saudi-Arabien zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten im Grunde die einzigen beiden Produzenten mit erheblichen Kapazitätsreserven. Nach Angaben der IEA haben sie zusammen etwa 3 mb/d Leerlaufleistung, das entspricht 3 % der weltweiten Rohölnachfrage. All dies müssten sie verwenden, um die Verluste auszugleichen, welche durch den Ausschluss Russlands aus vielen Märkten erwartet werden. Selbst wenn sie sich dazu entschließen und es schaffen würden, diese zusätzlichen Barrel zu fördern, wäre das letzte Versorgungspolster für die Ölmärkte erschöpft und jeder neue Rückschlag für die globale Versorgung würde wahrscheinlich zu explodierenden Preisen führen.
Prekär ist auch die Lage im Iran. Die Aussichten auf ein kurzfristiges Atomabkommen haben einen großen Dämpfer erlitten. Ein Abkommen mit dem Iran, das weitere Barrel freisetzen könnte, scheint in weiter Ferne.

Libyen
Das nordafrikanische Land ist eines der großen Fragezeichen, wenn es um die Rohölproduktion geht. Die politische Lage in Libyen ist weiterhin äußerst fragil. Stammesführer haben in den Ölförderregionen offenbar in den Machtkampf der beiden rivalisierenden Ministerpräsidenten des Landes eingegriffen. Ein täglich rund 450.000 Barrel Öl produzierendes Feld im Süden des Landes wurde von Stammesführern im April geschlossen. Die staatliche Ölgesellschaft NOC sprach von „höherer Gewalt“ und zugleich von einem „absurden Schritt“, der die andauernde Konfrontation zweier rivalisierender Regierungen im Westen und Osten Libyens widerspiegele. Wahrscheinlich ist daher nicht mit einem großen Produktionsschub durch Libyen zu rechnen.

Europa
Die EU versucht, die Einführung erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Ziel ist es, die erneuerbaren Energien bis 2030 auf ein Niveau zu bringen, das 45 % des gesamten Energiebedarfs abdeckt. Bis vor kurzem lag das Ziel bei 40 %. Dies erfordert mehr als eine Verdoppelung der derzeitigen Kapazität erneuerbarer Energien. Daher muss Brüssel den Einsatz von Sonnenkollektoren, Wärmepumpen, Geothermie und Solarthermie stark ausbauen. Die gesamte Energiewende bringt eine neue Infrastruktur mit sich. Um diese zu bauen, werden Stahl und viele andere Rohstoffe benötigt. Produktionsprozesse für die wesentlichen Rohstoffe und Teile, die für eine grüne Infrastruktur benötigt werden, basieren immer noch zum größten Teil auf fossilen Brennstoffen und befeuern so auch die Rohöl-Nachfrage.

China
Nach dem Ende der Lockdowns in China, wird der größte Ölimporteur der Welt und der weltweit zweitgrößte Ölverbraucher einem bereits angespannten Markt eine erhebliche zusätzliche Nachfrage hinzufügen.

Die weltweiten Lagerbestände an raffinierten Ölprodukten sind auf ein gefährlich niedriges Niveau gefallen. Es gibt bereits Engpässe, die die Mobilität in mehreren Schwellenländern erschweren. In den kommenden ein bis zwei Jahren werden nur sehr wenige neue Raffinerien in Betrieb gehen. Dies, obwohl bereits ein enormer Mangel an Ölraffineriekapazitäten zur Herstellung von Benzin, Diesel und Düsentreibstoff besteht, nachdem jahrelange Raffinerieschließungen viele Engpässe geschaffen haben. Im weiteren Sinne bleibt das Rohölangebot preisunelastisch, was auf die o.a. Unterinvestitionen und Kapazitätsverluste während Covid zurückzuführen ist.
 

Was spricht für sinkende oder zumindest stabile Ölpreise?

Kürzlich stimmte die OPEC+ einem beschleunigten Zeitplan für die Erhöhung des Angebots zu, der sich in den kommenden zwei Monaten auf 648.000 Barrel pro Tag summiert. Aber die Zahl ist weitgehend symbolisch, weil die Produktionskapazitäten der meisten Mitglieder ausgereizt sind. Die Minister der OPEC+-Nationen werden bei einem Treffen in den nächsten Monaten über die nächsten Schritte beraten. Einige Analysten spekulieren, dass das seit Ende 2016 geltende System der Produktionsquoten gelockert werden könnte.

Insgesamt sieht man eine verstärkte Investitionsbereitschaft im Rohöl-Sektor. Das saudische nationale Energieunternehmen Aramco investiert Milliarden, um seine maximale Rohölproduktion um 1 mb/d auf 13 mb/d bis zum Jahr 2027 zu steigern. Neue Investitionen werden kurzfristig nicht für Entspannung sorgen, aber im Laufe der Zeit werden sie bei der Versorgung helfen.

Die russische Ölproduktion zeigt sich trotz der Sanktionen stabil. Die Menge des in die EU gelieferten russischen Öls stieg zwischen Januar und April um 14 % von 750.000 auf 857.000 b/d. China kaufte von März bis Mai 14,5 mb von Russland, was einer Verdreifachung gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2021 entspricht. Indien hat auch seine Käufe von russischem Rohöl erhöht: von 11 mb im März, auf 21 mb im Mai.

Grundsätzlich werden die Preiserhöhungen die Nachfrage schmälern, da viele dieses Niveau als zu teuer ansehen. Die durchschnittlichen Preise für Benzin und Diesel haben in den USA z.B. Allzeithochs von etwa $ 5 bzw. 5,80 pro Gallone erreicht, im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Dieselpreis bei $ 3,29.

Während Brent etwa 20 % unter dem Allzeit-Dollar-Hoch von 2008 liegt, erreicht es in vielen Ländern in lokaler Währung ein Rekordniveau, da sich der US-Dollar sehr fest präsentiert. 

Die Rohölnachfrage wird nicht stabil bleiben, wenn sich die aktuellen Signale für ernsthafte Konjunkturabschwächungen weiter verstärken und dadurch die Rezessionsgefahr ansteigt.

Auf den Punkt gebracht

Trotz anhaltender Probleme auf der Angebotsseite und unter Druck stehender Rohölvorräte wird wohl der Nachfragerückgang durch ein erheblich langsameres Wirtschaftswachstum in 2022 und 2023 überwiegen. 

Für dieses Jahr ist es vorstellbar, dass das Barrel Brent unter $ 100 fallen wird, sollten die Sorgen über eine weitere Konjunkturabschwächung die Oberhand gewinnen. Angebotsengpässe werden wahrscheinlich dafür sorgen, dass die Preise jedoch nicht viel weiter nachgeben. Sollten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate nicht mehr Öl fördern oder die Produktion von Ländern wie Russland, Libyen und dem Iran stärker geschädigt werde, könnte das Barrel Brent wieder auf etwa $ 120 klettern.

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