Die Schweiz hat zuletzt verstärkt mediale Aufmerksamkeit erhalten, vor allem, weil sie von der US-Regierung mit sehr hohen Zöllen belegt wurde. Sollte es der Schweiz nicht gelingen, die Zölle herunterzuhandeln, dürfte dies die Wirtschaft belasten, die sich bislang recht gut entwickelt hat. Die Zinssenkungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) konnten die Deflationssorgen im Land nicht zerstreuen und haben auch den Schweizer Franken nicht wesentlich geschwächt. Es bleibt spannend, ob die SNB die Zinsen wieder in den negativen Bereich senken wird.
Fakten zu unseren Nachbarn
Mit rund 9 Millionen Einwohnern leben in der Schweiz fast genauso viele Menschen wie bei uns – allerdings auf einer Fläche, die nur etwa halb so groß ist wie Österreich. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt zählt die Schweiz zu den größten Volkswirtschaften weltweit. Sie ist eine Industrienation, die zahlreiche internationale Großunternehmen beheimatet. Bedeutende Sektoren sind der Maschinenbau, die Nahrungsmittelindustrie, die Pharma- und Chemieindustrie sowie die Uhren- und Luxusgüterindustrie. Wesentlich stärker zum Bruttoinlandsprodukt tragen aber der (Transit-)Handel, das Gesundheits- und Bildungswesen sowie die Banken und Versicherungen bei. Daneben ist der Tourismus ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Als größte Stadt ist Zürich wegen der Finanzbranche eines der Wirtschaftszentren der Schweiz. In Basel wiederum ist viel Pharmaindustrie angesiedelt. Offizielle Währung ist der Schweizer Franken, der neben dem US-Dollar, dem Euro, dem Britischen Pfund und dem Japanischen Yen zu den wichtigsten Währungen der Welt zählt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik der Schweiz. Die Schweiz gehört zu den wohlhabendsten Ländern der Welt.
Mit Deutsch, Französisch und Italienisch gibt es gleich drei offizielle Amtssprachen. Die Schweiz ist ein Bundesstaat, der sich aus 26 Kantonen zusammensetzt, die teilsouverän und regional autonom sind. Bei der politischen Entscheidungsfindung gibt es eine ausgeprägte Kultur der Kompromissbereitschaft und die Bürger:innen können zum Beispiel durch Volksabstimmungen zu bestimmten Themen direkten Einfluss auf die Regierungstätigkeit nehmen.
In der Außenpolitik ist die Neutralität einer der wichtigsten Grundsätze. Sie bedeutet, dass sich die Schweiz nicht militärisch an bewaffneten Konflikten zwischen anderen Staaten beteiligt. Daher ist sie auch kein NATO-Mitglied. Dagegen ist die Schweiz Mitglied in vielen internationalen Organisationen wie zum Beispiel der UNO und der OSZE. Sie gehört jedoch nicht der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum an. Allerdings bestehen bilaterale Verträge zwischen der Schweiz und der EU. Wegen ihrer Neutralität, der politischen Stabilität sowie ihrer humanitären Tradition ist die Schweiz Sitz vieler internationaler Organisationen, Verbände und Nichtregierungsorganisationen aus Politik, Sport, Wissenschaft und Kultur.
Solides Wirtschaftswachstum und niedrige Inflation
Während in vielen westlichen Industrienationen die Realwirtschaft noch nicht so richtig in Schwung gekommen ist, kann die Schweiz auf ein solides Wirtschaftswachstum zurückblicken. Seit Mitte 2023 ist das Schweizer BIP durchschnittlich um rund 0,4 % pro Quartal gestiegen. Im Vergleich dazu verzeichnete die Eurozone in diesem Zeitraum ein Plus von durchschnittlich 0,25 %. Viele Marktbeobachter:innen erwarten, dass die Schweizer Wirtschaft auch in den kommenden Quartalen weiter solide wachsen wird. Der von den USA ausgehende Zollschock, den wir gleich noch ausführlicher besprechen, soll gemäß den Erwartungen gut verkraftet werden können. Die Schweizer Wirtschaft sei demnach widerstandsfähig und von einer Rezession weit entfernt. Der Großteil der Unternehmen ist anpassungsfähig und für die Mehrheit der Unternehmen sind Zölle nicht der zentrale Faktor, der die zukünftige Geschäftsentwicklung prägt. Zudem verfügen die in den USA aktiven großen börsennotierten Schweizer Unternehmen über erhebliche Kapazitäten in den USA oder produzieren sogar den gesamten US-Bedarf vor Ort. Allerdings warnen auch einige Volkswirt:innen vor einem geringeren Wachstum und Arbeitsplatzverlusten, sollten die US-Zölle auf dem aktuellen Niveau bleiben und zusätzlich Zölle auf Pharmaprodukte eingeführt werden.
Die Inflation ist in der Schweiz schon fast traditionell niedrig und lag selbst im Hochpunkt im Sommer 2022 nur bei 3,5 % (in der Eurozone lag sie im zweistelligen Bereich). Seit Mitte 2023 liegt sie wieder im Zielbereich der SNB von 0-2 %. Nun droht sie sogar, nachhaltig unter dieses Band zu rutschen, da die Preissteigerungsraten in den letzten Monaten immer niedriger ausfielen und im Mai kurzfristig sogar in den negativen Bereich gerieten. Dies führt nicht nur bei der SNB zu Deflationssorgen, sondern lässt auch befürchten, dass die Schweiz einen Rückfall in die 2010er Jahre erlebt, in denen es immer wieder längere Phasen von Preisrückgängen gab. Ein Grund für die niedrige Inflation sind die gefallenen Energiepreise, insbesondere die Ölpreise. Darüber hinaus verbilligt der starke Franken die Importe. Und zu guter Letzt sind die Mieten an den Leitzins gekoppelt, der seit fast anderthalb Jahren deutlich reduziert wurde. Das heißt, Mieter:innen dürfen eine Senkung der Miete verlangen, wenn die Zinsen sinken.
Boomender Außenhandel und US-Zölle
Die Schweiz hat ihre Exporte in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert und 2024 einen Rekordwert erreicht. Mehr als die Hälfte der Güterexporte entfällt auf die Pharmaindustrie, womit die Schweiz von diesem Sektor stark abhängig ist. Rund ein Fünftel der Exporte machen Präzisionsinstrumente, Uhren und Schmuck aus. Edelmetalle, Edel- und Schmucksteine kommen auf rund 15 %. Maschinen, Apparate und Elektronik haben einen Anteil unter 10 %. Größter Handelspartner der Schweiz ist die EU. Auf Rang zwei folgt die USA, in die die Schweiz im letzten Jahr 18,6 % ihrer Exporte transportiert hat. Im Warenhandel mit den USA hat die Schweiz 2024 einen Überschuss von rund 38,5 Milliarden Franken (entspricht bei einem durchschnittlichen USD/CHF-Wechselkurs von 0,88 knapp 44 Milliarden US-Dollar) erzielt. Nimmt man den Dienstleistungshandel hinzu, der von der US-Regierung gerne „vergessen“ wird, war der Überschuss der Schweiz in etwa halb so hoch.
Anfang April hatte US-Präsident Trump am sogenannten „Liberation Day“ Importzölle auf Schweizer Güter in Höhe von 31 % angekündigt. Am Schweizer Nationalfeiertag Anfang August erhöhte er den Zollsatz auf 39 %, der schließlich am 7. August in Kraft gesetzt wurde. Neben Brasilien ist die Schweiz das einzige Land, das mit deutlichen Zollerhöhungen im Vergleich zum „Liberation Day“ belegt wurde. Von den Zöllen ausgenommen sind derzeit noch Pharmaprodukte, wobei auch hier ein noch wesentlich höherer Zollsatz angedroht ist. Alle Versuche der Schweizer Regierung, die Zölle herunterzuhandeln, sind bislang gescheitert. Bleibt es bei den Zöllen von 39 %, entstehen den Schweizer Exporteuren Wettbewerbsnachteile gegenüber ihren Mitbewerbern, da zum Beispiel für die EU und Großbritannien Zölle von 15 % bzw. 10 % gelten. Die Luxusgüterindustrie wie auch der Maschinenbau dürften von den Zollbelastungen am stärksten betroffen sein. Die meisten Uhren und Schmuckstücke Schweizer Unternehmen werden in der Schweiz gefertigt und eine Verlagerung der Produktion in die USA kommt für die meisten nicht infrage, da sie sonst die Bezeichnung „Made in Switzerland“ verlieren würden. Die Schweizer Regierung hat bislang nicht mit Gegenmaßnahmen auf die US-Zölle reagiert und wird dies wahrscheinlich auch nicht tun. Sie dürfte vielmehr ihr Angebot an die US-Administration deutlich verbessern, um letztendlich eine Einigung zu erzielen.
Für zusätzliches Aufsehen und Verwirrung sorgte Anfang August ein Zeitungsbericht, wonach die USA auch Zölle auf die Einfuhr von Gold erheben. Demnach seien Goldbarren mit einem Gewicht von 1 Kilogramm und von 100 Feinunzen mit Abgaben belegt. Dies hätte die Schweiz besonders getroffen, da Gold für die Schweiz eines der wichtigsten Exportgüter in die USA ist – und gleichzeitig ein wesentlicher Grund für den Handelsüberschuss. Die Schweiz ist eine Drehscheibe für den internationalen Goldhandel. Dort sind viele Goldraffinerien beheimatet, die unter anderem bestehende Goldbarren umschmelzen und für bestimmte Märkte neu gießen. Denn an den beiden weltweit wichtigsten Gold-Handelsplätzen, New York und London, werden unterschiedliche Goldbarren verwendet bzw. gehandelt. Trump schrieb später aber auf seiner Social Media-Plattform, dass Gold doch nicht mit Zöllen belegt wird. Eine offizielle Bestätigung der US-Regierung gibt es hierzu allerdings noch nicht.
Nullzinsen und starker Franken
Die SNB als Pendant zur EZB entscheidet immer am Ende jedes Quartals über ihre Zinspolitik. Sie hat im letzten Jahr als erste der G10-Zentralbanken begonnen, die Zinsen zu senken. Der Zinssenkungszyklus begann im März 2024 und hielt bis zuletzt an. In dieser Zeit hat die SNB die Zinsen von 1,75 % auf aktuell 0 % reduziert. Die Zinsen wurden dabei schrittweise auf jeder Sitzung gesenkt. Dadurch hat die SNB versucht, die Inflation wieder anzuheizen – bislang jedoch ohne Erfolg. Einige SNB-Offizielle haben in den letzten Monaten ihre Bereitschaft zu erneuten Negativzinsen betont. In der Schweiz gab es schon von 2015 bis 2022 negative Zinsen. Die Marktteilnehmer:innen gehen in Summe jedoch nicht davon aus, dass die SNB die Zinsen schon in Kürze erneut in den negativen Bereich senken wird. Die Ausgangslage könnte sich aber ändern, sollten die US-Zölle die Schweizer Wirtschaft doch stärker belasten.
Ein weiteres Instrument, der niedrigen Inflation entgegenzuwirken, sind Devisenmarktinterventionen. Die SNB hat zum Beispiel im Jahr 2023 im großen Stil Fremdwährungen gekauft, um den Franken zu schwächen, was aber keinen Erfolg hatte. Seit 2024 ist sie kaum noch am Devisenmarkt aktiv, obwohl sie stets ihre Bereitschaft dazu betont. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Zum einen weisen viele Währungen aktuell eine erhöhte Volatilität auf, wodurch die Währungsrisiken in der Bilanz steigen. Zum anderen ist die SNB bemüht, ihre Bilanz zu verkleinern. Und zu guter Letzt will sie wohl nicht noch stärker die Aufmerksamkeit der US-Regierung erregen, indem sie die eigene Währung künstlich schwächt.
Der Schweizer Franken hat gegenüber dem Euro von 2021 bis 2023 stark aufgewertet. Der EUR/CHF-Wechselkurs ist dabei deutlich unter die Parität gerutscht. Nach einer zwischenzeitlichen Schwächephase im letzten Jahr bewegt sich der Franken seit etwa zwölf Monaten unter Schwankungen seitwärts. Er wird von vielen Marktteilnehmer:innen als sicherer Hafen angesehen und ist entsprechend stark nachgefragt. Die US-Zölle hatten bislang keine großen Auswirkungen auf den Franken, da viele Marktteilnehmer:innen offenbar doch noch eine Einigung im Zollstreit erwarten. Sollte dieser jedoch eskalieren, könnte der Franken nachhaltiger unter Druck geraten. In den kommenden Quartalen erwarten die Marktteilnehmer:innen aktuell aber eher eine Seitwärtsbewegung des EUR/CHF-Wechselkurses.
Fazit
Sollten die von der US-Regierung verhängten Importzölle auf Schweizer Güter bestehen bleiben, könnte dies die bislang solide Schweizer Wirtschaft belasten. Dann könnte auch der starke Franken nachhaltig nachgeben. Dies würde der SNB in die Karten spielen, die bislang vergeblich versucht hat, den Franken zu schwächen und die niedrige Inflation wieder anzufachen. Erneute Negativzinsen können nicht ausgeschlossen werden, auch wenn die meisten Marktteilnehmer:innen dies noch nicht erwarten.
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Marketingmitteilung
Stand 19.08.2025
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