Geldpolitik der EZB bleibt restriktiv
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren letzten Sommer begonnenen Zinserhöhungszyklus in diesem Jahr bislang fortgesetzt. Die Leitzinsen wurden in zwei Schritten um je 50 Basispunkte angehoben. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt aktuell bei 3,5 %, der Einlagesatz bei 3,0 %. Angesichts der zwar gesunkenen, aber nach wie vor hohen Inflation und vor allem wegen des starken unterliegenden Preisauftriebs (Kerninflation) dürfte die EZB die Zinsen auf den kommenden Sitzungen weiter anheben. Der Markt erwartet derzeit weitere Zinserhöhungen von 75 Basispunkten bis zum Herbst (Grafik 1). Der Einlagesatz würde dann bei 3,75 % liegen, was aus heutiger Sicht das Ende des Zinserhöhungszyklus der EZB darstellt. Die Finanzmarktturbulenzen in den USA und in der Schweiz verhindern wohl noch stärker steigende Zinsen. Denn die Spannungen an den Finanzmärkten und die Alarmbereitschaft der Marktakteure dürften die ohnehin schon zurückhaltendere Kreditvergabe der Banken zusätzlich dämpfen und damit die restriktive Geldpolitik der EZB unterstützen. Darüber hinaus wird die EZB ihr Anleiheportfolio aus dem 2015 aufgelegten APP-Programm bis zum Jahresende um 15 Mrd. Euro pro Monat abschmelzen, indem fällig werdende Anleihen nicht wieder voll reinvestiert werden. Ab Mitte des Jahres könnte sie den Bilanzabbau beschleunigen. Die bisherigen Zinserhöhungen der EZB haben dazu geführt, dass der 3-Monats-Euribor mittlerweile auf über 3 % gestiegen ist. Durch die höheren Zinsen sind Spareinlagen attraktiver und Kredite teurer geworden.
Die Inflationsrate im Euroraum ist den vorläufigen Daten zufolge im März zwar auf 6,9 % gefallen und liegt damit deutlich unter dem Rekordhoch von Oktober. Der Rückgang ist aber im Wesentlichen auf die niedrigeren Energiepreise zurückzuführen. Nahrungsmittelpreise dagegen sind deutlich gestiegen. Der unterliegende Preisauftrieb hat noch nicht nachgelassen. Die sogenannte Kernrate ist sogar auf 5,7 % gestiegen und dürfte ihren Hochpunkt noch nicht erreicht haben. Auch dürfte sie später nur langsam zurückgehen. Zwar haben die Unternehmen inzwischen den Großteil ihrer höheren Produktionskosten an die Verbraucher weitergegeben, mit den kräftig steigenden Löhnen steht aber eine neue Teuerungswelle ins Haus. Diese wird insbesondere die Preise für Dienstleistungen weiter in die Höhe treiben. Die EZB wie auch der Markt erwarten, dass die Inflation erst im übernächsten Jahr auf das EZB-Ziel von 2 % zurückkommt.
Die Gefahr, dass die Wirtschaft im Euroraum in eine Rezession abrutscht, ist zwar nicht gebannt, sie scheint aber aktuell geringer. Die befürchtete Rationierung von Gas ist ausgeblieben und viele Regierungen haben beträchtliche Hilfen für ihre Bürger und Unternehmen beschlossen, um die Folgen der gestiegenen Energiepreise abzufedern. Auch liegen die Lieferkettenprobleme wohl hinter uns. Das Konjunkturwachstum wird in diesem Jahr aber nur sehr mager ausfallen, wozu die EZB-Zinserhöhungen beitragen, die die Wirtschaft im Jahresverlauf belasten werden. Zudem fällt es der Industrie in der Eurozone immer schwerer, der schwächeren globalen Nachfrage und der durch die Euro-Aufwertung verschlechterten preislichen Wettbewerbsfähigkeit zu trotzen.
Die Renditeabstände („Spreads“) der Staatsanleihen der Euro-Länder haben sich in den letzten Monaten verringert, trotz der Zinserhöhungen. Dennoch scheint die Furcht in der EZB vor einer erneuten Fragmentierung im Euroraum nicht gebannt zu sein. Im Bedarfsfall wird die EZB daher wohl gegensteuern und hierzu das „Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP)“ einsetzen, das heißt sie wird die fälligen Tilgungsbeträge flexibel reinvestieren.
Wann dreht die Fed?
Auch die US-Notenbank Fed hat heuer ihren Zinserhöhungszyklus, den sie vor gut einem Jahr und damit früher als die EZB begonnen hat, fortgesetzt. Allerdings hat sie das Tempo der Zinsschritte verlangsamt. So wurden die Zinsen in diesem Jahr zweimal um 25 Basispunkte angehoben. Die Obergrenze der Leitzinsen liegt nun bei 5,0 %. Damit hat die Fed die Zinsen mittlerweile um 475 Basispunkte erhöht, was den aktuellen Zinszyklus historisch macht. Geht es nach dem Markt, ist nun aber das Ende der Zinsanhebungen erreicht. Eine weitere Zinserhöhung ist nicht mehr vollständig eingepreist. Mehr noch, der Markt erwartet im zweiten Halbjahr von heute aus betrachtet wieder Zinssenkungen von 25 Basispunkten (Grafik 2). Auch die Fed selbst hat im Rahmen der letzten Sitzung ihren Zinsausblick angepasst und wird wohl zukünftig weniger aggressiv vorgehen. Laut Aussagen der Fed-Mitglieder sind noch leicht höhere Zinsen möglich. Entgegen der Marktsicht plant die Fed allerdings noch nicht mit Zinssenkungen in diesem Jahr.
Dass die Fed verhaltener reagiert und sich die Markterwartungen in den letzten Wochen massiv verändert haben (Anfang März ging der Markt noch von weiteren Zinserhöhungen der Fed in diesem Jahr aus) liegt wohl an den Problemen im US-Bankensystem, nachdem zwei Banken in Schieflage geraten waren und von der Einlagensicherung übernommen werden mussten. Diese haben den Plänen der Fed offenbar einen Strich durch die Rechnung gemacht. In enger Zusammenarbeit mit der Einlagensicherung und dem Finanzministerium bemüht sich die Notenbank mittels Liquiditätshilfen, die Geldpolitik von den Problemen im Bankensystem abzuschirmen.
Für anhaltend hohe oder sogar noch höhere Zinsen in den USA spricht der sehr robuste Arbeitsmarkt. Im ersten Quartal wurden über 1 Million neue Stellen geschaffen und die Arbeitslosenrate liegt mit 3,5 % nahe des historischen Tiefstands. Ebenso zeigt sich die Inflation hartnäckig; sie ist bislang nicht so stark zurückgekommen wie erwartet. Ähnlich wie im Euroraum ist in den USA die Kerninflation das Problem, die im März bei 5,6 % lag (die Gesamtinflation betrug 5,0 %). Für niedrigere Zinsen wiederum spricht die schlechte Stimmung in der Industrie. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe befindet sich seit fünf Monaten nicht mehr im expansiven Bereich. Und auch bei den Dienstleistungsunternehmen hat sich die Stimmung zuletzt eingetrübt. Hinzu kommen die Turbulenzen im Bankensektor. Laut Aussagen des Fed-Vorsitzenden Powell beeinträchtigen diese die Kreditvergabe der Banken, was einer zusätzlichen Straffung der Geldpolitik gleichkomme.
Die Zinserhöhungen der Fed dürften die US-Konjunktur im Jahresverlauf nach und nach abbremsen. Dies könnte sogar dazu führen, dass die Wirtschaft im zweiten Halbjahr in eine Rezession abrutscht. Auf das Gesamtjahr betrachtet sollte die US-Wirtschaft aber leicht wachsen.
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Marketingmitteilung
Stand 17.04.2023
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