Angesichts der in den vergangenen Monaten überraschend angestiegenen Verbraucherpreise bereiten die Zentralbanken nun eine schneller und stärker erfolgende Wende in der Geldpolitik vor. Für die Zinsmärkte bedeutet dies turbulentere Zeiten, in denen sie sich nicht mehr auf Unterstützung verlassen können.
EZB: Pandemie-Kaufprogramm (PEPP) endet im März
Wie erwartet, hat die Europäische Zentralbank im Rahmen der jüngsten Zinssitzung im Dezember 2021 die Leitzinsen erneut unverändert belassen. So bleibt der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld weiterhin bei 0,00 %, der Spitzenrefinanzierungssatz bei 0,25 % und der Einlagensatz bei -0,50 % (Grafik 1).
Neue Beschlüsse gab es hingegen beim im Zuge der Pandemie eingeführten Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP). So entschied die EZB, dieses aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Normalisierung im ersten Quartal 2022 zu verringern und Ende März 2022 schließlich ganz einzustellen. Um jedoch die Märkte nicht zu sehr zu verunsichern, wurde versprochen, dass es im Falle neuer COVID-Wellen und schwacher Wirtschaftsdaten wieder aktiviert werden könnte. Außerdem verdoppelt die EZB ihr bereits seit längerer Zeit laufendes reguläres APP-Kaufprogramm im zweiten Quartal auf 40 Mrd. Euro pro Monat. Im dritten Quartal sollen die Nettokäufe auf 30 Mrd. Euro gesenkt und schließlich mit 20 Mrd. Euro fortgeführt werden. Auch die Fälligkeiten der im Rahmen der beiden Programme erworbenen Anleihen werden bis mindestens Ende 2024 bzw. bis nach der ersten Zinsanhebung reinvestiert. Deren Zeitpunkt bleibt natürlich noch weiter offen, wobei EZB-Präsidentin Lagarde bei der Pressekonferenz betonte, dass eine Zinserhöhung 2022 „sehr unwahrscheinlich“ sei.
Doch was bedeuten diese Maßnahmen im Lichte der zuletzt unerwartet hohen Teuerungsraten in der Eurozone? Hier hat man im Dezember zumindest insofern darauf reagiert, als dass die Inflationsprognosen für das Jahr 2022 mit nun 3,2 % deutlich nach oben revidiert wurden. Jedoch unterstreicht die EZB-Erwartung einer Teuerungsrate von 1,8 % für die Jahre 2023 und 2024 die Haltung, in der Inflation weiterhin nur ein temporäres Phänomen als Folge der Coronakrise zu sehen (Grafik 2). Angesichts der vor wenigen Tagen veröffentlichten rekordhohen Inflation von 5 % im Dezember steigt für die EZB die Gefahr, dass sie ihre Glaubwürdigkeit als „Hüterin der Preisstabilität“ verliert. Schließlich ist dies der höchste Wert seit Beginn der Währungsunion. Auch wenn innerhalb der EZB die Bereitschaft für eine Kurswende in der Geldpolitik steigt, ist derzeit frühestens im ersten Quartal 2023 mit einem ersten Zinsschritt zurechnen.
Fed: Tapering und Tightening
In den Vereinigten Staaten von Amerika hat der überraschend massive Anstieg der Inflation die Notenbank Fed hingegen schon zu einer Kehrtwende veranlasst. Bei der letzten Sitzung im Dezember gab diese bereits ein klares Zinswendesignal für das Jahr 2022. Die Rückführung der Anleihekäufe (Tapering) wird demnach beschleunigt und bis Mitte März abgeschlossen. Anschließend wäre Spielraum für Zinserhöhungen geschaffen. Die Meinung, dass die Inflation vor allem auf transitorische Effekte zurückzuführen ist und daher in absehbarer Zeit wieder nachlassen werde, musste man ebenfalls aufgeben. In der Zwischenzeit wurden die Notenbanker von der Realität der jüngsten Inflationsdaten eingeholt. Mit 7 % markierte die Inflation im Dezember ein 40-Jahres-Hoch und könnte nun dazu führen, dass die geldpolitische Normalisierung deutlich rascher erfolgt als ursprünglich erwartet (Grafik 3). Sowohl im Sitzungsprotokoll als auch in der Senatsanhörung des Fed-Präsidenten Powell Anfang Jänner wurde den Anlegern verdeutlicht, dass bereits nach den ersten Zinsschritten eine Verringerung der Bilanzsumme der Fed möglich scheint. Auf Tapering könnte somit nahtlos Tightening folgen. Als Tightening wird der schrittweise Abbau der Notenbankbilanz mit dem Ziel einer Verringerung der Liquidität in der Wirtschaft bezeichnet.
Aber auch der sich stetig erholende US-Arbeitsmarkt dient als Argumentationshilfe für eine schnellere Straffung der Geldpolitik. Zwar blieb der Stellenaufbau im Dezember klar hinter den Erwartungen zurück, doch sank die Arbeitslosenrate stärker als erwartet auf 3,9 % und liegt damit nur mehr leicht über dem Vorkrisenniveau (Grafik 4). Vor dem Hintergrund stark gestiegener Stundenlöhne steigt die Gefahr der gefürchteten Lohn-Preis-Spirale. Aus Sicht der Währungshüter stellt die erhöhte Inflation inzwischen das maßgeblichste Risiko für eine lang andauernde Arbeitsmarkterholung (Vollbeschäftigung) dar. Mit diesen Argumenten haben sowohl FED-Vertreter als auch Marktteilnehmer die Erwartung für eine erste Zinsanhebung von 25 Basispunkten auf März vorgezogen und erachten sogar vier Zinsschritte in diesem Jahr für möglich.
Eine Verzögerung des geldpolitischen Ausstiegs wäre nur dann zu erwarten, falls eine weitere COVID-Variante den Konjunkturaufschwung schwerwiegend gefährdet – eine Hintertür bleibt für beide Zentralbanken mit Blick auf den Pandemieverlauf somit noch offen.
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