(04.07.2025, Salzburg) - "Geopolitik und Welthandel gleichen derzeit einem Spiel mit dem Feuer. Die sprunghafte Unsicherheit im Welthandel seit Donald Trumps zweiter Amtszeit belastet die globalen Märkte nachhaltig." Das sagt Nils Kottke, Mitglied des Vorstandes im Bankhaus Spängler, im aktuellen Kapitalmarktausblick der ältesten Privatbank Österreichs für das dritte Quartal 2025. Laut dem Experten werden der Verlauf und der Ausgang der Zollstreitigkeiten mit den USA in den nächsten Wochen und Monaten die wesentlichen Faktoren für die Entwicklung an den Kapitalmärkten sein.
OECD senkt Wachstumsprognosen deutlich ab
Die Unsicherheit schlägt sich auch in den aktuellen Konjunkturprognosen nieder. Die OECD erwartet für 2025 ein globales Wirtschaftswachstum von nur noch 2,9 Prozent, für 2026 ebenfalls 2,9 Prozent. "Besonders betroffen ist die Eurozone mit mageren 1,0 Prozent für 2025 und 1,2 Prozent für 2026, wobei der Trend hier nach oben zeigt", erklärt Markus Dürnberger, Bereichsleiter Asset Management im Bankhaus Spängler. "Die USA hingegen müssen ihre Erwartungen auf 1,6 Prozent für 2025 und 1,5 Prozent für 2026 zurückschrauben. Auch wenn die Wachstumserwartungen für China mit 4,7 Prozent in diesem und 4,3 Prozent im nächsten Jahr noch solide erscheinen, wurden diese doch deutlich nach unten korrigiert." Zusätzliche Verunsicherung bringen die volatilen Ölpreise, die zwischen 60 und knapp 80 USD schwankten, insbesondere nach dem Angriff Israels auf Iran.
Inflation in Europa auf Zielkurs, USA mit Fragezeichen
Bei der Inflationsentwicklung zeigt sich ein unterschiedliches Bild zwischen den Kontinenten. "In der Eurozone hat die Inflation mit einer Gesamtrate von 1,9 Prozent ihr Zwei-Prozent-Ziel erreicht", so Dürnberger. “Ein detaillierter Blick auf Österreich zeigt deutliche Preisunterschiede: Während die Preise für Benzin um 10 Prozent und Heizöl um 13 Prozent sanken, wurde beispielsweise Strom um 36 Prozent und Kaffee um 34 Prozent teurer. So liegt aktuell die Gesamtinflation immer noch bei über 3 Prozent. In den USA wiederum stellt sich die Frage, ob der Inflationsrückgang auf 2,4 Prozent bei der Gesamtrate wirklich nachhaltig ist. Hier bleibt abzuwarten, was im zweiten Halbjahr noch auf uns zukommt - Stichwort Zölle und ihre Weitergabe der Händler an die Konsumenten", gibt der Asset Manager zu bedenken.
Zinspolitik: Notenbanken fahren unterschiedliche Strategien
"Die divergierenden Inflationsentwicklungen spiegeln sich in der Geldpolitik wider. Die EZB setzt ihren Zinssenkungszyklus fort und hat den Einlagensatz aktuell bereits auf 2,0 Prozent reduziert. Aktuell wird noch eine weitere Zinssenkung um 0,25 Prozent für dieses Jahr erwartet. Für 2026 sind gegenwärtig keine weiteren Zinssenkungen in Sicht. Das bedeutet, dass wir uns auf dieses Zinsniveau kurz- bis mittelfristig einstellen können”, so Spängler-Vorstand Kottke. “Die große Spannung liegt auch hier jenseits des Atlantik”, so Asset Manager Dürnberger. “Die Fed will weiter abwarten und hält die Zinsen bei 4,5 Prozent", erklärt Dürnberger. “Die Marktteilnehmer rechnen in diesem Jahr noch mit zwei Schritten nach unten. Präsident Donald Trump macht jedenfalls weiterhin großen Druck auf Fed-Chef Jerome Powell. In Anbetracht der hohen Staatsschulden der USA und unter Berücksichtigung der Refinanzierungsnotwendigkeit zahlreicher in naher Zukunft auslaufender US-Staatsanleihen sind niedrigere Zinsen aus politischer und Staatshaushaltssicht dringend erforderlich. Dem gegenüber steht die Gefahr eines Wiederanstiegs der US-Inflation, der die FED mit höheren Zinsen entgegentreten möchte.”
Kapitalmärkte volatil, USA verlieren Spitzen-Rating
Ein bemerkenswertes Ereignis war ein weiterer Verlust eines AAA-Ratings der USA. Nachdem bereits Standard & Poor's 2011 und Fitch 2023 die Bestnote gestrichen hatten, folgte nun im Mai 2025 auch Moody's mit einer Herabstufung auf Aa1. An den Kapitalmärkten zeigte dieses aktuellste Downgrading jedoch kaum Auswirkungen. Insgesamt ergibt sich seit Jahresbeginn ein gemischtes Bild: Während europäische Aktien um 6,7 Prozent zulegten, konnten chinesische Titel 1,7 Prozent gewinnen. US-amerikanische Aktien verloren 7,2 Prozent. “Dies aber nur aus Sicht eines europäischen Anlegers”, betont Kottke. “Das liegt am schwächelnden Dollar, der in jüngster Zeit mangels Vertrauen deutlich an Wert verloren hat."
Gold legt eine Pause ein, Silber setzt Aufwärtstrend fort
Bei den Edelmetallen legt Gold nach seinem Höhenflug aktuell eine Verschnaufpause bei über 3.300 US-Dollar je Feinunze ein. Silber hingegen setzte seinen Aufwärtstrend fort und notiert aktuell bei etwa 36 USD. "Bei diesem Edelmetall, das auch oft als das ‘Gold des kleinen Mannes’ bezeichnet wird, übersteigt die Nachfrage das Angebot. Neben seinem Charakter als Edelmetall besitzt Silber auch eine hohe elektrische und thermische Leitfähigkeit und ist damit auch für die Industrie von großer Bedeutung. Silber ist derzeit gegenüber Gold im historischen Vergleich deutlich unterbewertet", erklärt Dürnberger, der aber auch vor der hohen Volatilität des Silberpreises warnt.
Zweites Halbjahr: Moderates Wirtschaftswachstum mit hohen Risiken erwartet
Für das zweite Halbjahr 2025 sieht das Bankhaus Spängler als Basisszenario ein moderates Wirtschaftswachstum, eine weitere Annäherung der Inflation in Europa an ihr Ziel sowie weitere Zinssenkungen. "Die Unternehmensgewinne dürften moderat steigen", prognostiziert Dürnberger. Als wesentliche Risiken nennt er die anhaltenden geopolitischen Spannungen, einen möglichen globalen Handelskonflikt, eine Rezessionsgefahr in den USA, eine wieder steigende Inflation sowie zunehmende Staatsschulden.