(11.10.2023, Salzburg) - Nach Coronapandemie, Ukrainekrieg, steigender Energiekosten und Inflation nun also der nächste negative - und leider auch blutige - Baustein in der aktuellen Polykrise, die den Motor der globalen Wirtschaft weiter zum Stottern bringen könnte: Der Angriff der Hamas auf Israel. “Noch ist die weitere Entwicklung nicht absehbar, derzeit fällt die Marktreaktion eher verhalten aus”, konstatiert Nils Kottke, Vorstandsmitglied im Salzburger Bankhaus Spängler. Fest steht: Deutsche Staatsanleihen ‒ als sicherer Hafen ‒ konnten leicht zulegen, nach den Kursrückgängen in der vergangenen Woche notiert Öl aktuell fester, auch Gold konnte zulegen, erklären die Experten der ältesten Privatbank Österreichs in ihrem aktuellen Kapitalmarktausblick.
Wie stellt sich die Lage abgesehen von den jüngsten Ereignissen im Nahen Osten dar? “Die Stimmung ist derzeit wirklich nicht gut, vor allem unter den Unternehmer:innen in den Branchen Bauwirtschaft und Industrie, die unter dem Ansteigen der Zinsen besonders zu leiden haben”, so Kottke. Regional gesehen machen sich unter den Marktteilnehmer:innen in der Eurozone zunehmende Rezessionssorgen breit. Auch in den USA kann ein Wirtschaftsabschwung nicht ausgeschlossen werden, obwohl die Konjunkturdaten bis zuletzt noch robust ausgefallen sind.
Inflation: Preise rückläufig, doch der Weg zum Ziel ist noch weit
Die Inflation geht zwar zurück, bis zum Ziel der Notenbanken von 2 Prozent scheint der Weg aber noch holprig und weit. “Die Notenbanken haben jedenfalls den Zinsgipfel erreicht beziehungsweise stehen sie kurz davor. Mittlerweile ist die Frage aufgekommen, wann und wie schnell die Zinsen angesichts der sich abzeichnenden schwächeren Wirtschaft wieder gesenkt werden”, sagt Markus Dürnberger, Asset Manager im Bankhaus Spängler. In Europa präsentiert sich die Inflationssituation sehr heterogen. So erwartet die EU-Kommission für Spanien mit 3,6 Prozent und Irland 4,6 Prozent eine deutlich tiefere Inflation als für die gesamte Eurozone (5,6 Prozent). Österreich machen noch immer Preistreiber wie Gas, Fernwärme oder Flugpauschalreisen zu schaffen. Hier erwartet die EU-Kommission für 2023 eine Inflationsrate von 7,1 Prozent, das WIFO-Institut geht sogar von einer Teuerung von 7,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus.
Anleihen: Langfristige Anleihen zahlen höhere Renditen als kurzfristige
Der Anleihenmarkt ist im heurigen Jahr wieder sehr volatil. “Interessant: Die Zinskurve ist derzeit invers, längere Anleihen zahlen also niedrigere Renditen als kurzfristige”, betont Dürnberger. Die steigenden Zinsen resultieren jedenfalls in höheren Renditen. So liegen bei einer 10-jährigen Laufzeit deutsche Staatsanleihen aktuell bei 2,84 Prozent, österreichische Schuldverschreibungen stehen bei 3,46 Prozent und US-Staatsanleihen werden mit 4,67 Prozent verzinst. Allerdings sollte hier in Erwartung der Notenbanksätze ein Ende in Sicht sein und sich der Markt etwas stabilisieren.
Aktien: Schwäche Chinas sticht ins Auge
Auch der Aktienmarkt präsentiert sich derzeit sehr interessant. Er ist geprägt von großen regionalen Unterschieden, zeigt sich aber im Gegensatz zum eingangs erwähnten Stimmungsbild relativ stabil. Papiere aus den USA, getrieben von den starken Technologieunternehmen, liegen klar im Plus. Auch der europäische Aktienmarkt ist seit Jahresanfang wieder zurückgekommen. Ins Auge sticht die Schwäche Chinas. Vom Aufschwung nach der Corona-Öffnung ist nicht mehr viel übrig. Vielmehr bestimmen zum einen Schlagzeilen über den hoch verschuldeten Immobiliensektor das Geschehen. Zum anderen hat die Erholung nach dem Re-Opening nicht zu dem erwarteten Anstieg des Privatkonsums der Chines:innen geführt. “All das spricht auch für eine Diversifizierung im Aktienportfolio - nicht nur sektoral, sondern auch regional”, betont Asset Manager Dürnberger.